George Sand

George Sand: eine Frau von Leidenschaft und Überzeugung

George-Sand
Ihr Werk und ihr politisches und gesellschaftliches Engagement sind in Frankreich und im Ausland anerkannt. Brillant, großzügig und mit einer ungewöhnlichen Energie und Arbeitskraft ausgestattet, hat sie nie aufgehört, ihre Ideen umzusetzen. Ihr Credo? Die Liebe in all ihren Formen.

Von Florence Raynal, Journalistin
Fotos: Sammlung Roger-Viollet

„George Sand ist eine außergewöhnliche Frau, Künstlerin, Schriftstellerin und Journalistin. Sie hat sich politisch und gesellschaftlich engagiert. Ihre Person ist komplex, sie wurde bewundert, gefeiert und karikiert. George Sand bleibt ein Symbol für den Kampf um die Freiheit zu denken, zu existieren und zu schaffen.“ Alles Gründe, die Jean-Jacques Aillagon, Frankreichs Kulturminister, dazu veranlasst haben, aus dem Jahr 2004 das „George-Sand-Jahr“ zu machen. Ein Jahr, das mit ihrem 200. Geburtstag zusammenfällt.

Aurore Dupin de Francueil wurde am 5. Juli 1804 in Paris geboren. Sie starb 1876 in Nohant, in der Region Berry (Zentrum). Zwischen diesen beiden Daten pendelte sie ständig von einem Ort zum anderen – und ihr Werk mit ihr.

Aurore Dupin wurde von ihrer Großmutter aufgezogen und heiratete 18-jährig den Baron Casimir Dudevant, mit dem sie zwei Kinder bekam. Doch neun Jahre später verließ sie ihn und zog nach Paris zu dem Schriftsteller Jules Sandeau. Aurore wurde George, entlieh von Sandeau den Anfang seines Namens, zog sich wie ein Mann an und rauchte Zigarre. Als Journalistin lebte sie vom Schreiben und ihr erster Roman, Indiana (1832), war ein Erfolg. Danach folgten die Werke Valentine, Lélia (1833), Jacques (1834) und Mauprat (1837). Romane und Gedichte, die voller Revolte sind und der Enzyklopädie für französische Literatur („Dictionnaire encyclopédique de la littérature française“) zufolge „unermüdlich die sinnliche und zugleich idealistische, doch immer verlorene und exzessive Leidenschaft sowie die Liebe im Kampf gegen Vorurteile und Gesellschaft feiern“. Entsprechend dem damaligen Leben ihrer Autorin.

Für eine Revolution der „Geister und der Herzen“

Sand stolperte mehrmals über Vorurteile: wegen ihrer verschiedenen Liebschaften – besonders der mit dem Dichter Alfred de Musset, dann die mit dem polnischen Komponisten und Pianisten Frédéric Chopin, eine Beziehung, die zehn Jahre lang dauerte – aber auch wegen ihrer eigenen Person. „Weder aristokratisch noch bürgerlich“, schreibt Michelle Perrot in Les Femmes ou les silences de l’Histoire („Die Frauen oder das Schweigen der Geschichte“): „Sand ist eine soziale Mischung. Sie ist sich dessen bewusst, steht dazu, brüstet sich damit, auch wenn sie manchmal darunter gelitten hat.“

Als Republikanerin im Frankreich der monarchistischen Restauration verteidigt George Sand „die Rechte des Volkes und die individuellen Freiheiten und proklamiert die Notwendigkeit der Solidarität zwischen den Menschen“, erklärt Reine Prat, die für die Organisation des „Georg-Sand-Jahres“ verantwortlich ist.

Unter dem Einfluss des humanistischen Mystizismus des Denkers Félicité de Lamennais und vor allem des Philosophen Pierre Leroux veröffentlichte sie Romane mit sozialistischem Charakter. „Die soziale Revolution scheint ihr seitdem die unerlässliche Ergänzung zur politischen Revolution. Doch die eine als auch die andere musste sich auf eine ’moralische Revolution’ stützen: die der religiösen Geister und Herzen“, analysiert Michelle Perrot. Das ist die Zeit des Compagnon du tour de France (1840), des Horace (1841), des Consuelo (1842) und des Müllers von d’Angibault (1845), in der die Gesellschaftskritik mit dem Thema der souveränen Liebe einhergeht, und in der ihre Bewunderung für den Philosophen Jean-Jacques Rousseau zum Vorschein kommt.

Mit dem Sturz Königs Louis-Philippe im Jahr 1848 nahmen ihre politischen Schriften immer mehr zu. Sie nahm an der Veröffentlichung Bulletin de la République teil und gründete eine Zeitung, deren Existenz nur von kurzer Dauer war: La Cause du peuple („Die Sache des Vokes“). Doch nach dem Scheitern der Revolution entschloss sie sich enttäuscht dazu, „ihre Vorstellungskraft zu beruhigen und sich einem Ideal der Ruhe, der Unschuld und der Träumerei zu widmen“, wie sie im Vorwort des Romans Die kleine Fadette (1849) schreibt.


Die Schriftsteller Théophile Gautier, Sainte-Beuve, Alexandre Dumas der Jüngere, Gustave Flaubert und Charles Edmond sind um George Sand herum vereint

„Die gute Dame von Nohant“

In Nohant hat sich George Sand von jeher für die Bauern interessiert. Sie machte aus ihnen Akteure einer Serie „ländlicher Romane“: Der Teufelssumpf (1846), François le Champi (1848), Les Maîtres sonneurs (1853)... und weihte damit den Heimatroman ein. Sie beschreibt darin die Landschaften und die Menschen, die sie mag – und idealisiert sie, manchmal etwas zu übertrieben. Sie meinte dazu: „Sie sind mir so erschienen wie ich sie beschrieben habe. Ich habe vielleicht zu viel gute und schöne Seelen im wirklichen Leben getroffen, und ich habe an Aufrichtigkeit, Freundschaft und Uneigennützigkeit geglaubt... Meine ehrlichen und reinen Personen sind keine abstrakten Entwürfe (...).“ Für sie ist Kunst „keine Studie der positiven Wirklichkeit; Kunst ist eine Suche nach der ’idealen’ Wahrheit“.

Während der Herrschaft von Napoleon III. (1852-1870) begann Sand ein inneres Exil. Sie veröffentlichte übrigens 1854 eine lange Biografie, Geschichte meines Lebens. Dennoch blieb Nohant ein künstlerischer Treffpunkt. Sie empfing dort so bekannte Gäste wie den Musiker Franz Liszt, den Maler Eugène Delacroix, die Schriftsteller Honoré de Balzac, Théophile Gautier, Gustave Flaubert und Eugène Fromentin. Sand nahm auch am Leben der Bauern teil, die sie „die gute Dame von Nohant“ nannten. Sie brachte ihren Kindern Lesen bei und verteilte Almosen.

Sie interessierte sich für Kunst und Naturwissenschaften. „Sie ignorierte Hierarchien und traditionelle Abgrenzungen zwischen den Disziplinen, studierte und praktizierte mit viel Talent Musik, Zeichnen, Botanik, Mineralogie, machte sich bei Gelegenheit zum Arzt oder Ethnologen, sammelte die Lieder und Geschichten aus dem Berry, gründete in Nohant ein Marionettentheater, zeigte besonderes Geschick im Umgang mit der Stricknadel und bei der Herstellung von Marmelade, ritt und schoss...“, fasst Reine Prat zusammen. Diese Tätigkeiten zügelten nicht ihre Schreibwut. Bis zu ihrem Tod schrieb sie Artikel, Romane, Essais und Theaterstücke. Sie veröffentlichte Die schönen Herren von Bois-Doré (1858), Le Marquis de Villemer (1861), Mademoiselle de la Quintinie (1862). Sie hinterlässt auch eine der schönsten und umfangreichsten Korrespondenzen der französischen Literatur (25 Bände).

Sand war eine außergewöhnliche Frau und war „von dem Gedanken der Ungerechtigkeit und des Unglücks besessen, der mit der Überzeugung einher ging, das man daran etwas ändern könne, und dass das Einmischen ein Recht sei“, meint Michelle Perrot, die jedoch über den Kontrast „zwischen der Kühnheit der persönlichen Überzeugung und der Schüchternheit, sogar Bedeutungslosigkeit der kollektiven Forderung nach politischer Gleichheit der Frauen“ erstaunt ist. Dennoch gesteht sie ein, dass „George Sand nie aufgehört hat, gegen die unbegründete und oft so ungerechte Macht des ’bärtigen Geschlechts’ zu protestieren“. In ihrem Leben und Werk war die Befreiung der Frau eine Dominante, die für viele Französinnen und Europäerinnen „eine Botschaft und ein Auslöser“ war. Reine Prat geht noch weiter und ist davon überzeugt, dass „ihr grenzüberschreitendes Werk zahlreichen Emanzipationsbewegungen der Völker als Modell gedient hat und einen Einfluss auf die größten Schriftsteller hatte: Fedor Michajlovic Dostojewskij, Henry James, Margaret Fuller, Walt Whitman, die Schwestern Brontë und George Eliot.“
Madame Bovary

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